Und nun einmal etwas Ernstes

Echt jetzt. Nach den ganzen Blödeleien der letzten Monate ist mir beim Kommentieren in einem anderen Blog ein Link ans Herz gelegt worden. Warnung! Man muss erstens des Englischen mächtig sein und zweitens gut 80 Minuten Zeit aufwenden können.

Aber dieser Link zeigt mir mal wieder, dass, überraschenderweise, auch in den Vereinigten Staaten Menschen leben, die sich Gedanken über die Zukunft machen und nicht komplett patriotisiert sind. Und bestätigt mich bei meiner eigenen Urteilsfindung, die ebenso mathematisch begründet ist.

Mir war und ist es schon lange suspekt, dass die Wirtschaft nur funktioniert, wenn es Wachstum gibt. Ein Satz, den man dauernd eingetrichtert bekommt. Umsatzsteigerung. Auch hier, in der echten Pathologie, wird Umsatzsteigerung angestrebt. Mehr verdienen als letztes Jahr, mehr Umsatz machen. Nur nicht ein Nullwachstum durchmachen. Mit der entsprechenden Konsequenz für die Mitarbeiter: mehr Arbeit bei fast gleichem Lohn. Nur: irgendwann sind die Kapazitäten der Mitarbeiter erschöpft, da bringt auch eine Lohnerhöhung nichts mehr. Und wenn ich ins produzierende Gewerbe schaue: da sind es die Kapazitätsgrenzen der Maschinen. Neue Maschinen, die mehr produzieren zum gleichen Preis? Schön und gut, aber wer soll diese Mehrproduktion kaufen? Und wie hält man den Preis, wenn man über Bedarf produziert?

Ich bin ja der Meinung, eine Firma sollte anstreben, lediglich für jeden Menschen in ihrem Einzugsbereich ein Produkt, dafür aber nachhaltig und langlebig, zu produzieren. Das ist in gewisser Weise eine Planwirtschaft, ja, aber auch sinnvoll. Diese ganze Geschichte mit geplanter Obszoleszenz etwa ist eine riesige Ressourcenverschwendung. Oder auch das vom Marketing aufoktroierte: ih, sie haben da ja noch ein altes Modell vom letzten Jahr... Klar ist es toll, mit dem neuesten Automodell durch die Gegend zu kurven. Aber ist es wirklich so, dass man sich nach drei oder fünf Jahren daran sattgesehen hat? Oder wird einem das nicht eher durch die Werbung eingeimpft? Immerhin, es gibt viele „Ewiggestrige“, die sich in Sachen Auto etwa einen Oldtimer halten, die einen als Sammler, die anderen aus rein finanziellen Gründen, da ihnen das Geld zum Neuwagenkauf fehlt.

Nicht nur das Auto, auch das Mobiltelefon, Schuhe, Kleidung, Brillen, Frisuren: alles wird einer Mode, einem Trend unterworfen. Wer „in“ sein will, muss diese Trends mitmachen. Bewährtes wegwerfen (oder irgendwo aufheben) und Neues kaufen. Umsatz, das ist, was zählt. Und damit verbunden der Verbrauch an Ressourcen. Mit Schrecken denke ich daran, was auf uns zu kommen wird. All die neuen Technologien beispielsweise für die Energieerzeugung, wenn einmal das letzte Öl, die letzte Kohle in einem Kraftwerk verheizt wurde: Windräder und Wasserturbinen, deren Lagerstellen geschmiert werden müssen. Doch womit? Photovoltaik, für deren Herstellung Erdöl und Energie benötigt werden. Und dann die Gerätschaften, die das Leben leichter machen, aber von Energie abhängig sind: Wasserwerke beispielsweise. Denn wieviele Menschen können sich einen eigenen Brunnen leisten, und wenn, wie pumpen sie das Wasser nach oben ins Haus, in die Wohnung?

In Zukunft werden sich die Prioritäten für Reichtum verschieben. Heutzutage ist reich, wer sich diverse Urlaube, schicke Autos und große Häuser leisten kann. In Zukunft ist jemand reich, der sich eine geheizte Behausung und fließend Wasser leisten kann. Die Menschheit wird nicht mehr, wie von der Bundesregierung propagiert, mobil den Arbeitsstellen hinterherreisen, die Menschheit wird wieder sehr stationär werden. Reisen über Land? Ich denke, die Postkutschen werden wiederkommen und Pferdefuhrwerke. Altes Wissen wird wieder gefragt sein, manuelle Tätigkeiten wie Schuhmacher und Schneider eine Renaissance erleben. Und aus diesen Gründen finde ich es gar nicht mal so schlimm, wenn ich die Schlagzeilen lese, die besagen, dass die Deutschen aussterben werden. Denn irgendwie muss man ja den Markt bedienen können, der sich da bilden wird. Und das geht nur, wenn weniger Menschen da sind.
theswiss - 9. Feb, 13:11

Ich habe mir schon vor einer Weile diese Videos angeschaut und war fasziniert. Der Vergleich mit den Mikroorganismen in der Flasche ist ernüchternd. Die Berechnungen, wie lange die Ressourcen noch halten werden sind hingegen erschreckend.
Aber - und das macht einem Hoffnung - vielleicht realisieren jetzt endlich die Leute, dass es so nicht weitergeht. Denn diese Grenzen, an die die Menschheit unweigerlich stossen wird, werden noch in unserer Lebensspanne zu bewältigen sein. Es gibt kein "nach mir die Sintflut" mehr.

pathologe - 9. Feb, 14:26

Wie

allerdings in den Videos auch angesprochen: die Mehrheit der Menschen bevorzugt es, Probleme auszugrenzen und sich bewusst den Unwahrheiten hinzugeben. Die Wahrheit, die man erkennt, schmerzt zu sehr, als dass man sie sehen will.
Wenige Menschen werden sich das Video anschauen, wenige werden begreifen, was der Inhalt bedeutet. Viele ignorieren es einfach, doch ich denke, wir sind jetzt die Generation, die nicht mehr sagen kann: "Zum Glück kriege ich das nicht mehr mit!"
steppenhund - 9. Feb, 23:10

Mathematik

Mathematik braucht man nicht!
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Ich habe mittlerweile schon resigniert. Denn die allgemeine Ablehnung der Mathematik führt dazu, dass die Masse der Menschen nie verstehen kann, wie man sie mit den Wachstumserzählungen verscheißert.
-
Jetzt könnte ich da einen langen Sermon schreiben und das oben Gesagte oder auch das Video unterstützen.
-
Statt dessen verweise ich auf einen Kommentar von mir zum Thema des Buchstaben e bei der Webering.

http://weberin.twoday.net/stories/e/#comments

Und damit das Link-klicken und das Kommentar Suchen nicht zu schwierig wird, zitiere ich meinen Kommentar gleich hier unten. Es wird mir wohl verziehen sein, dass ich mich eines gewissen Zynismus und Sarkasmus bei dem Thema nicht enthalten kann. Aber wir brauchen ja keine Mathematik!

E oder besser e

wird als Eulersche Zahl bezeichnet. Manchmal muss ich über Kabbalisten oder andere Zahlenmystiker lachen, wenn ich feststelle, dass sie sich an bestimmten ganzen Zahlen festklammern. Natürlich haben 5, 6 und 7 ihre ganz besondere Bedeutung. 4 und 9 auch, die im Chinesischen als Unglückszahlen gelten. 8 ist speziell im Japanischen eine Glückszahl, wenn sie zweimal vorkommt wie im 88. Geburtstag. Dass wir heute eine Bedeutung von 0 und 1 auch bei Nichtmathematikern unterstellen können, ist die Folge, dass das ganze Leben vom Computer verseucht ist :) Die 3 ist sowieso vom Religiösen usurpiert. Auch die 2, wenn man den Dualismus von Gut und Böse in Betracht zieht.
Aber ehrlich gesagt sind das alles Kinderspielchen. Sie gleichen den Vorurteilen über blondes Haar oder Penisgrößenschätzungen.

Die Eulersche Zahl kommt im Mathematikunterricht der AHS kaum mehr vor. Umso wichtiger ist sie dann auf der Hochschule, wobei es nicht darauf ankommt, ob man sich mehr in theoretischen Gefilden oder in real praktischen Anwendungen bewegt. Wenn die mathematischen Verwendungen und Zusammenhänge von e nicht erforscht wären, könnte niemand hier im Blog auch nur einen Buchstaben schreiben.
Die Zahl selbst (2.7172…) ist eine reelle, irrationale und transzendente Zahl. Es würde zulange dauern, um die einzelnen Begriffe einigermaßen vernünftig zu erklären. Glauben Sie mir einfach, dass transzendent etwas Besonderes ist. Eine andere transzendente Zahl kennen Sie sicher. Es ist die Kreiszahl pi.
Obwohl e für mich immer schon faszinierend war, (Basis des natürlichen Logarithmus und Basis der natürlichen Exponentialfunktion) ist es nicht einfach, die Faszination anderen mitzuteilen. Dass die Ableitung von e^x wieder die gleiche Funktion ergibt, ist nur für mathematisch inklinierte LeserInnen besonders hübsch. Dass ich mit meiner Begeisterung aber nicht ganz falsch liege, zeigt eine Studie, welche ergab, dass 85% der befragten Interviewpartner die Eulersche Identitätsformel als die schönste Formel der Mathematik empfanden.

e ^ (i . pi) + 1 = 0

Dabei ist i die Quadratwurzel aus -1. Alle fünf benötigten Grundkonstanten der Mathematik fügen sich in einer so einfachen Formel zusammen. Das Verständnis der Formel könnte in der AHS gelehrt werden und würde vielleicht ein bisschen mehr an Schönheit in den Mathematikunterricht bringen. Aber selbstverständlich ginge das nur in einer Klasse, in der die meisten Interesse zeigen.

Wer bisher gelesen hat, wird sich fragen, was da jetzt für den Menschen wie Sie und ich an Bedeutung dahinter steckt. Die Antwort ist ziemlich einfach. Würden mehr Leute die Bedeutung von e verstehen, könnte man ihnen nicht die Theorie von der Notwendigkeit des notwendigen (!) stetigen Wirtschaftswachstums einreden. Sie würden sofort erkennen, dass eine stetige Wachstumsfunktion der Art von „jedes Jahr 3% mehr Wirtschaftsleistung“ zu wiederholten Crashs führen muss. Genauso ist das Explodieren des Finanzmarktes eine Folge, dass Börsenspekulationen letztlich auf Zusammenhängen beruhen, die man formelmäßig ebenfalls mit e-Funktionen beschreibt, deren Anwendung aber nicht verstanden wird, sprich die Beschränkungen der Berechnungen werden von den Anwendern nicht berücksichtigt. Es wäre möglich, jemanden, der einem 20% Rendite in einem Monat verspricht, sofort als Scharlatan bei der Tür hinaus zu jagen.

Falls der letzte Absatz nicht ausreicht, um eine gewisse Achtung vor der Zahl e zu empfinden, kommt als letztes Beispiel eines aus der Natur. Wir nehmen Frau Hase und Herrn Hase und lassen sie darauf los rammeln. (Das F-Wort kommt erst beim nächsten Buchstaben.) Die Hasenbevölkerung nimmt gemäß einer Formel B = e ^ (k . t) zu, Stichwort: Wachstumsfunktion. (Dabei ist t die verstrichene Zeit seitdem Herr Hase das erste Mal seinen ehelichen Verpflichtungen nachgekommen ist. k ist eine Konstante, die ausschließlich von der Tragezeit der Häsin abhängt.)
Wenn jemandem aber jetzt das künstlerische Element abgeht, sei gesagt, dass die ganze Welt aus Klang besteht. Klänge kann man zwar mit Sinus- und Cosinus-Funktionen beschreiben, aber eben noch eleganter mit e-Funktionen.

Ich behaupte ja, dass die perfekte Kinderzahl in einer Familie 2.7172.. Kinder wären. Aus Undurchführbarkeitsgründen sollten halt einige Familien 2 Kinder und noch mehr Familien 3 Kinder haben. Aber das ist eine private, unbewiesene Behauptung;)

walküre - 16. Feb, 19:27

Ich mag den Eintrag und diesen Kommentar gleichermaßen. Und plädiere zusätzlich für den klaren Hausverstand sowie Respekt vor der Natur.

Noch habe ich bezüglich der Erkenntnisfähigkeit der Menschen nicht zu resignieren begonnen, bin aber manchmal schon gefährlich nahe dran.
steppenhund - 22. Feb, 01:27

@wvs

Noch viel schlimmer ist, was man uns in Österreich unter "Spar"-Paket verkauft...
pathologe - 22. Feb, 10:07

@Steppenhund

Apropos Sparpaket, in Twitter las ich "Österreich schnürt ein neues Sparpaket. Mal schauen, wohin es geschickt wird."
NeonWilderness - 2. Mär, 17:26

Ein gutes (ernstes) Posting. Ich kam leider erst heute dazu, mir alle 8 YouTube-Schnipsel anzusehen - darum jetzt etwas verspätet und dafür etwas länger:

Als binärgeschädigter IT-Mensch lernt man ja früh die Schönheit und Einfachheit der "doubling patterns" des Dualsystems kennen. Es brauchte allerdings bis zu meinem 23.sten Lebensjahr, um auch die erbarmungslose Brutalität sich verdoppelnder Zahlen am eigenen Leib Portemonnaie zu spüren. Während eines IT-Trainings in Bremen suchte ich abends an einem Roulettetisch des dortigen Casinos etwas Entspannung und wollte nebenher mein "todsicher" geglaubtes System perfektionieren: Nachdem 5x die gleiche Farbe an einem Tisch gekommen war, spielte ich gegen die Bank und verdoppelte meinen Einsatz jedes Mal, wenn die böse Farbe erneut kam.

Meine Ignoranz der Tatsache, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Farbe auch beim 100.sten Wurf immer wieder nur 50% ist, wurde nur noch durch die Begrenztheit meines einzusetzenden Jungspund-Kapitals übertroffen. Als beim 27.sten Mal "rot" in Serie das ungläubige Raunen im Saal gefährlich laut wurde und sich die ersten "Betrug"-Rufe mehrten, war ich schon lange pleite und um eine wichtige Erfahrung reicher: exponentielle Steigerungen sind ein Werk des Teufels und unter allen Umständen zu vermeiden.

Als Wochenendzyniker mit tiefem Glauben in die menschliche Verdrängungskompetenz teile ich Ihre Annahme, dass es keine wesentlichen Anstrengungen zur Lösung der Probleme geben wird bevor es eh zu spät ist. Politiker wollen "Gutes" tun und dafür wiedergewählt werden. Keiner von ihnen - schon gar nicht in den USA - wird öffentlich für z.B. Geburtenkontrolle oder Null-Wachstum eintreten. Also werden Natur und Umwelt ihre Antworten formulieren und das Problem mit der ein oder anderen Form der Mass Mortality (Krankheit, Hunger, Vergiftung, Krieg, Anarchie) lösen.

Möglicherweise werden die Lebensbedingungen eines Tages so bedrängend und angstvoll werden, dass sich radikale politische Kräfte durchsetzen und "Lösungen" durch demokratieaussetzende, diktatorische Systeme initiieren (nach innen durch Abschaffung von Individualfreiheit, nach außen durch Ausfechten aller lebensverlängernden Ressourcenkriege). Wie Prof. Bartlett richtig sagte: Demokratie, Menschenwürde, individuelle Bequemlichkeit, Freiheit sowie Anstand sind der Preis für Überbevölkerung und können diese nicht überleben.

Was bleibt also denen als Handlungsraum, die diese Entwicklung kommen sehen? Nichts, außer das First Class Ticket auf der Titanic zu buchen. Der menschliche Genpool ist insgesamt zu dumm, faul, träge und veränderungsresistent, um Problemstellungen dieser Größe und Komplexität in einer gegebenen Zeit erfolgreich zu lösen. We're doomed, baby!

Elisabetta1 - 2. Mär, 23:28

Danke für diesen interessanten Beitrag.

Meine Frage wäre: Was könnten wir denn tun (wir Einzelne) außer den Tatsachen und der Gefahr ins Auge sehen? ; der letzte Absatz von NEONWILDERNESS
gibt mir persönlich schon die Antwort - so gut wie nichts. Erst wenn es "fast" zu spät sein wird, werden Reaktionen erfolgen.

kaiser sisi - 6. Mär, 11:33

UND

wir werden alle wieder kleiner werden.

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